Rede des Vorsitzenden der SPD-Gemeinderatsfraktion Nicolas Fink MdL in der 2. Lesung zum Doppelhaushalt 2026/2027 vom 10. November 2025 und Haushaltsanträge der SPD-Gemeinderatsfraktion
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
sehr geehrte Herren Bürgermeister,
verehrte Kolleginnen und Kollegen,
sehr geehrte Damen und Herren,
seit 1994 bin ich kommunalpolitisch aktiv. Damals wurde ich in den Gemeinderat meiner Heimatgemeinde Hochdorf gewählt. Und aus dieser Zeit habe ich Ihnen etwas mitgebracht – keine Sorge, es ist keine Diashow, sondern ein Artikel aus einer Publikation des SPD-Ortsvereins Hochdorf, dem Ortsgespräch vom April 1994. Ich zitiere:
„Die Zeiten sind schwieriger geworden. Viele sind von Kurzarbeit oder Arbeitslosigkeit betroffen, und viele müssen den Gürtel enger schnallen. Die stark zurückgehenden Steuereinnahmen bringen die öffentlichen Kassen in Schwierigkeiten. Zum ersten Mal haben wir in diesem Jahr gerade noch so viel Geld übrig, dass wir die Tilgung unserer Schulden bezahlen können. Über vieles, was bisher selbstverständlich war, muss nachgedacht werden. Neue Aufgaben müssen ganz besonders auf ihre Notwendigkeit und auf ihre Finanzierbarkeit überprüft werden. Bei aller Notwendigkeit zum Sparen ist für uns Sozialdemokraten jedoch unverzichtbar: Der Grundsatz der Solidarität gilt gerade in schwierigen Zeiten.“ Zitat Ende.
Auch wenn man Hochdorf natürlich nicht mit Esslingen vergleichen kann – es ist doch erstaunlich, wie aktuell diese Worte heute wieder sind.
Aber seit den 90er-Jahren hat sich einiges verändert. Im Vergleich zu heute hat man die Krisen gemeinsam bewältigt. Als Demokratinnen und Demokraten, getragen von einer breiten Mitte. Man hat sich gegenseitig untergehakt und in den Gremien auf allen Ebenen zumindest einen gewissen Grundanstand gewahrt.
Heute hingegen versuchen Extremisten und Populisten, den politischen Grundkonsens der guten Zusammenarbeit auszuhebeln. Sie richten sich gegen alles, was unsere Demokratie ausmacht. Insbesondere gegen die Europäische Union, die Garant für Frieden, Freiheit und Wohlstand auch in Esslingen ist.
Alle demokratischen Kräfte sind jetzt aufgerufen, sich für den Erhalt und die Weiterentwicklung unserer Demokratie einzusetzen und unsere gemeinsamen Werte zu verteidigen.
Gerade deshalb macht meiner Fraktion und mir der fehlende Anstand, auch hier in Esslingen, große Sorgen.
Was ich meine, möchte ich an konkreten Beispielen aufzeigen: Fast jede Woche gibt es – gerade auch in den sozialen Medien – Fälle, in denen Verwaltung oder Stadträtinnen und Stadträte aus der Mitte des Gemeinderats verunglimpft, ins Lächerliche gezogen oder demokratische Institutionen auf inakzeptable Weise angegriffen werden.
Ein besonders krasses Beispiel stammt von der Homepage der AfD Esslingen. Dort wurde im Zusammenhang mit dem Attentat auf Charlie Kirk Folgendes veröffentlicht:
„Charlie Kirk wurde ermordet, weil es Menschen gibt, die solche Lügen glauben. Tatsächlich sind es Menschen wie Matthias Klopfer und – [Name des Attentäters] –, welche gegen die Grundprinzipien unserer Demokratie verstoßen. Deswegen muss OB Klopfer in aller Entschiedenheit und öffentlich widersprochen werden.“ Zitat Ende.
Dass der Oberbürgermeister unserer Stadt hier auf eine Stufe mit einem Attentäter gestellt wird, ist nicht nur geschmacklos, es ist völlig inakzeptabel.
Und nein, auch ich kenne kein Wundermittel gegen die AfD. Aber ich weiß, was ganz sicher nicht hilft: sich mit ihr abzufinden, sie zu tolerieren, sich mit ihr zu arrangieren oder sie gar zu normalisieren, auch nicht auf kommunaler Ebene. Deshalb werden wir die AfD weiterhin nicht wie eine normale Fraktion behandeln. Wir werden alles tun, um klarzumachen: Die AfD ist auf allen Ebenen gefährlich. Oder, um es bildlich zu sagen: Der Wolf kann sich noch so viele Schafspelze überziehen, am Ende bleibt er ein Wolf. Und das ist gefährlich, auch und gerade hier in Esslingen.
Doch nicht nur das hat sich verändert. Auch das Klima im Gemeinderat hat sich seit der letzten Kommunalwahl spürbar gewandelt. Gerade diejenigen, die diese Stadt aus der demokratischen Mitte heraus gestalten wollen, sollten sich fragen: Wie wollen wir eigentlich miteinander umgehen?
Auch wirtschaftlich stehen wir vor großen Herausforderungen. Viele Menschen haben Angst um ihren Arbeitsplatz oder sind bereits betroffen. Nicht nur aus finanziellen Gründen muss es unser Hauptanliegen sein, dass Esslingen und das mittlere Neckartal auch künftig ein starker Wirtschafts- und Industriestandort bleiben. Unser Oberbürgermeister und die Wirtschaftsförderung sind auf vielen Ebenen aktiv, um Esslingen attraktiv zu halten. Auch Bund und Land versuchen durch verschiedene Maßnahmen, die Wirtschaft zu stärken und Arbeitsplätze zu sichern.
Insbesondere die Entscheidung des Bundes, ein Sondervermögen für Infrastruktur aufzulegen, und die Entscheidung des Landes, zwei Drittel davon an die Kommunen weiterzugeben, sind richtige Schritte.
Dass es gelungen ist, im Bund eine Reform der Schuldenbremse durchzusetzen und ein Sondervermögen einzurichten, ist aus unserer Sicht ein großer Erfolg. Ein Erfolg, für den wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten schon lange vor der letzten Bundestagswahl gekämpft haben.
An dieser Stelle, Herr Oberbürgermeister, sind wir mit Ihnen nicht ganz einer Meinung: Man darf dieses Sondervermögen nicht kleinreden. Wir können uns kaum vorstellen, wie die Lage wäre, wenn diese Milliarden nicht fließen würden. Entscheidend wird sein, dass wir sie auch in Esslingen sinnvoll nutzen, gerade auch zur Sicherung von Arbeitsplätzen.
Deshalb stellen wir konkrete Anträge: Wir beantragen einen Bericht zur Transparenz und Weiterentwicklung des VHS-Angebots zur Unterstützung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern bei beruflicher Weiterbildung und wirtschaftlicher Transformation. Außerdem möchten wir wissen, wie die Umsetzung des neuen Regelungsbefreiungsgesetzes des Landes Baden-Württemberg in der Stadtverwaltung konkret erfolgen soll.
Auch die Einnahmeseite darf nicht aus dem Blick geraten. Über Steuern werden wir später noch sprechen. Wir wissen: stabile Einnahmen helfen, schmerzhafte Entscheidungen zu vermeiden.
Dass die Vermarktung der Flandernhöhe bislang nicht wie erhofft verläuft, ist ärgerlich. Uns war bewusst, dass dies immer ambitioniert und sportlich sein würde, doch nun muss die Flandernhöhe in die Vermarktung gehen. Wir fordern, und haben dazu einen Antrag gestellt, einen schnellstmöglichen Teilverkauf, spätestens zum Doppelhaushalt 2028/29.
Ein weiteres schwieriges Thema sind die Stellenstreichungen. Sie tun weh, sind aber notwendig, um den Haushalt strukturell und dauerhaft zu stabilisieren. Wir möchten jedoch betonen, dass es Bereiche gibt, in denen Einsparungen ohne größere Auswirkungen auf die Bürgerinnen und Bürger möglich sind. Die Stadtverwaltung ist beim Thema Digitalisierung und Künstliche Intelligenz vorbildlich. Wenn KI künftig bei standardisierten Bescheiden hilft und dadurch Arbeitskraft frei wird, kann das helfen, die Kürzungen verträglich abzufedern.
Ein weiteres Anliegen ist die Attraktivität unserer Innenstadt. Im Vergleich zu anderen Fußgängerzonen verliert die Pliensaustraße zunehmend an Anziehungskraft. Wir setzen darauf, dass gezielte Sanierungs- und Fördermaßnahmen diesen Bereich deutlich beleben können und stellen einen entsprechenden Antrag.
Und schließlich: ein paar Worte zur Stadtbücherei. Auch hier ein Zitat:
„Eine funktionierende Bücherei gehört zur Grundversorgung einer Stadt. Diese Grundversorgung ist in Esslingen dank eines hervorragenden Teams in der Bücherei gesichert. Wir sprechen uns für das ehemalige Modehaus Kögel als künftigen Standort dieser funktionierenden Bücherei aus. Die zentrale Lage, das Flächenangebot und die geringen Umbaukosten sind klare Argumente dafür.“ Zitat Ende.
Sie finden diese Stellungnahme auf fdp-es.de!
Ich kann den Zwischenruf aus den Reihen der FDP schon fast hören, mit dem Hinweis, dass die FDP heute anders ticke als noch vor ein paar Monaten. Aber eines war und ist für uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten immer zentral und dies hat sich nie geändert: Die Meinung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Stadtbücherei ist für uns einer der wichtigsten Faktoren. Sie verdienen endlich eine langfristige und verlässliche Lösung. Denn seit vielen Jahren wird dieses Thema emotionalisiert und politisch instrumentalisiert. Dass wir daran als SPD nicht ganz unschuldig sind, sei ehrlich eingeräumt. Umso mehr freuen wir uns auf den Bürgerentscheid am 8. März.
Neben vielen anderen Gruppen hat sich auch der Jugendgemeinderat für einen Neustart ausgesprochen. Wir sollten dieses Votum ebenso wie die Haltung der Mitarbeitenden sehr ernst nehmen. Denn: Die SPD in Esslingen macht Politik für die Anständigen, die Fleißigen, die Engagierten. Aber wir haben insbesondere die Jugend im Blick. Uns ist wichtig, dass die Interessen der jungen Menschen gehört und berücksichtigt werden. Sie sind die Zukunft unserer Stadt.
Eine Zukunft, die trotz aller Herausforderungen eine gute sein kann. Voraussetzung dafür ist ein Grundanstand zwischen den demokratischen Parteien und Fraktionen. Voraussetzung ist, dass die demokratische Mitte zusammenhält, das Verbindende sucht statt das Trennende. Und Voraussetzung ist auch, dass nicht die Fraktion der permanent schlechten Laune den Ton angibt.
Meine Damen und Herren, am Ende geht es nicht nur um Bilanzen und Haushaltszahlen. Es geht um mehr. Es geht um das, was unsere Stadt zusammenhält. Es geht um Respekt. Es geht um Verantwortung. Es geht um Haltung.
Denn Demokratie ist nichts, was einfach da ist. Sie lebt davon, dass wir sie verteidigen; jeden Tag, in den Gremien, auf der Straße. Wir lassen nicht zu, dass Hass und Hetze das Klima in dieser Stadt vergiften. Wir lassen nicht zu, dass Anstand und Fairness als Schwäche gelten. Und wir lassen nicht zu, dass diejenigen, die laut schreien, den Ton bestimmen.
Esslingen ist stärker als das. Esslingen ist solidarisch. Esslingen ist demokratisch.
Und genau dafür stehen wir. Mit Überzeugung, mit Leidenschaft, mit Herzblut. Denn diese Stadt gehört nicht den Lautesten. Sie gehört den Anständigen, den Engagierten, den Fleißigen. Für sie machen wir Politik.
Vielen Dank.