Redebeitrag von Stefanie Wechsler am 23.07.2025 im Ausschuss für Bildung Erziehung und Betreuung

Sehr geehrter Herr Bayraktar,
sehr geehrte Damen und Herren,


Ich freue mich, dass gleich meine erste Rede in diesem Gremium zu einem echten Herzensthema erfolgt.


Auf der Tagesordnung steht heute der Masterplan Grundschule 2.0, ein zukunftsweisendes Konzept, das die Grundschulen in ES strukturell stärken soll. Im Zentrum steht dabei die konsequente Weiterentwicklung zur GTS. Das trägt dem Ganztagsanspruch Rechnung, der ab dem nächsten Schuljahr gilt.


Als SPD-Fraktion begrüßen wir dies ausdrücklich und bedanken uns bei der Verwaltung für diese Vorlage.


Vorneweg: Die SPD-Fraktion unterstützt das Vorhaben und wird dem MP zustimmen.


Die dort beschriebenen Maßnahmen erhöhen für viele Kinder die Bildungschancen und entlasten die Familien durch klare und verlässliche Betreuungszeiten und somit einer besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

Wenn ich richtig gelesen habe, sollen drei weitere GS vom Halbtag in den GT umgewandelt sowie ggf. 3 weitere Grundschulen von der Wahlform in den gebundenen GT überführt werden.

Diese Frage des GT wird oftmals allein unter dem Aspekt des vermeintlichen Elternwunsches diskutiert.
Dabei sollte Bildungspolitik immer zuerst vom Kind aus gedacht werden. Weil das in der Vorlage nicht so ausgeführt wird, möchte ich an der Stelle deshalb nochmals betonen, warum GT-Bildung so wichtig ist:


Mittlerweile sind die Effekte in Gesellschaften mit ausgebauten Ganztagssystemen wissenschaftlich gut erforscht:
Länder mit verbindlichen bzw. flächenmäßig ausgebauten GT Angeboten wie Estland, Finnland, Schweden, Kanada schneiden deutlich besser in den vergleichenden Bildungsstudien PISA und IGLU ab, denn die GTS erreicht alle Kinder unabhängig von Herkunft, Einkommen und Elternengagement.


Die Bertelsmann-Stiftung hat erhoben, dass durch den Ausbau der GTS die Schulabbrecherquote um 40% gesenkt werden könnte, was höhere Eintrittsquoten ins Erwerbsleben und gesellschaftlich niedrigere Sozialausgaben nach sich zöge.
Außerdem sind in diesen Ländern die Übertrittsquoten zu höheren Schulformen und damit der Zugang zu höheren Schulabschlüssen deutlich höher.


Die Integration von Kindern mit Migrationshintergrund, aber auch die Inklusion gelingen durch ein Mehr an Kontaktflächen, Kommunikation und Beziehung deutlich besser und auch leistungsstarke Kinder aus bildungsnahen bzw. akademischen Familien profitieren in den Bereichen soziale Kompetenzen und Lernverhalten deutlich.
Diese nachgewiesenen, für die Kinder positiven Effekte einer Ganztagsschule sind in der gebundenen Form deutlich stärker als in der Wahlform. Ich kann das bei Bedarf gerne ausführen, verzichte aber an dieser Stelle darauf.

Mit in Betracht sollte man ebenfalls ziehen, dass sich Eltern nach aktuellen, d.h. post-Corona durchgeführten, Studien, vermehrt gestresst und überfordert mit der Erziehung ihrer Kinder fühlen: 62% der Eltern von minderjährigen Kindern fühlen sich häufig oder sehr häufig gestresst und 2/3 berichten, dass der Stress in den letzten 1-2 Jahren zugenommen hat 70% fühlen sich überfordert oder erschöpft rund 60% empfinden die Erwartung an ihre Rolle als höher im Vergleich zu vor 30 Jahren und viele Eltern fühlen sich alleingelassen in Bildungsfragen und Erziehungsentscheidungen
(Forsa 2024/BKK Studie Gen-Z-Eltern 2025).


Wenn man das in der Gesamtschau mit der psychischen Situation von Kindern, der hohen Quote von Schulabbrechern und Schulabsentisten betrachtet, komme ich zu dem Schluss, dass der Staat Familien und Kinder im Rahmen seines Erziehungs-und Bildungsauftrages mehr unterstützen muss. Der Ausbau von GTS ist hier gesellschaftlich, wissenschaftlich und politisch dringend geboten.

GT ist mehr als verlängerter Unterricht, sondern führt zu besserer Schule. Es ist mehr Zeit für individuelle Förderung in stabilen, sozialen Kontexten, in einem rhythmisierten, von Profis gestalteten Tag.

Unser Fazit aus Sicht der SPD-Fraktion:
Der Ausbau von GTS ein Hebel für mehr Chancengleichheit, gesellschaftliche Teilhabe und wirtschaftliche Zukunftsfähigkeit. Der MP ist ein Schritt in die richtige Richtung: Hier geht es um deutlich mehr als Raumprogramme und Zeitpläne.
Aber: Der Ausbau von Betreuung allein genügt nicht – Esslingen muss weiter mutige Schritte in den Ausbau „echter“ Ganztagsschulen gehen. Hier wünschen wir uns seitens der Verwaltung mehr Ehrgeiz, um den als richtig erkannten Weg schneller zu begehen.

Und deshalb stellen sich uns am Ende noch 2 Fragen:

  1. Warum werden die verbleibenden Halbtagsgrundschulen nicht zu GTS in Wahlform umgewandelt?
  2. Sind die 3 weiteren für die Umwandlung zur gebundenen Form nur eine Option oder konkretes Ziel und wenn ja: in welchem Zeitraum und warum „nur“ 3 weitere?

Danke für Ihre Aufmerksamkeit!