Redebeitrag der SPD-Stadträtin Ulrike Gräter im Gemeinderat am 30. Juni 2025.
Herr Vorsitzender, Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Damen und Herren,
am liebsten stehe ich da oben mit meinem Chor. Toller Saal, 2 Sekunden Nachhall. Perfekt. Ein Gemeinderat, ein Chor. Erstaunlich was sie alles gemeinsam haben: vielfältige Stimmen, manche selbstbewusst und laut, manche nachdenklich und leiser. Es gilt, die Tempi abzugleichen und ja, nicht immer wird von jedem gleich der richtige Ton getroffen. Im besten Fall erreicht man aber ein gemeinsames Ziel und bietet ein anhörbares Ergebnis. Also los! Als Auftakt einen Schulterblick:
Was wünscht sich die Bücherei seit Jahrzehnten? Mehr Fläche, mehr Lernplätze, Barrierefreiheit! Ein kurzer Blick zurück:
- 2018 GR-Entscheidung für einen Neubau in der Küferstraße
- 2019 Bürgerentscheid für die Erweiterung und Modernisierung des Standortes Pfleghof
- 2020/21 Pandemiejahre
- 2022 Ukraine-Krieg, Baukostenverdreifachung, Beschluss „Kleine feine Sanierung“
- 2023 Karstadt schließt, Kögel schließt, Leerstand im Herzen Esslingens. Was ist zu tun?
Die Idee, eine zukunftsfähige Bücherei im ehemaligen Kögel zu gestalten, umrahmten abenteuerliche Unterstellungen: Wer mit wem joggt und wer ja schon immer Luxuswohnungen im Pfleghof bauen wollte und und und.
Nein, meine sehr geehrten Damen und Herren, es ist viel einfacher: Die Idee ist einfach gut und sie verdiente es, geprüft zu werden. Und nein, sie widerspricht nicht dem Bürgervotum 2019, weil die heutige Fragestellung eine völlig andere als die damalige ist.
Eine Leserbriefschreiberin, die viele von Ihnen kennen, formuliert klar die richtige Aufgabe:
„Wie werden wir unserer Verantwortung gerecht im Jahr 2025, wenn es um die Stadtbibliothek geht? Dürfen wir unsere Augen verschließen vor der Tatsache, dass sich seit unserem Bürgerbegehren im Jahr 2019 Wesentliches verändert hat in Esslingen?“ Elisabeth Nill, ehemalige Landtagsabgeordnete, 93 Jahre. Chapeau, klar, „jung und analytisch“.
Apropos klar: Die SPD hat ihr Votum pro Kögel von Anfang an untrennbar mit einer Bedingung verknüpft: Der Bebenhäuser Pfleghof bleibt in städtischer Hand und in öffentlicher kultureller Nutzung. Die Pläne sind Ihnen vorgestellt worden. Denn dies nochmals in aller Deutlichkeit: Eine Entscheidung für das Kögel-Gebäude ist keine Entscheidung gegen den Pfleghof. Es ist eine Entscheidung für eine größere, moderne Bücherei.
Weiter im Takt: Zeit der Entscheidung. Es gibt zwei Möglichkeiten. Wir favorisieren die bessere. Die Machbarkeit und der Mehrwert einer zukunftsfähigen Bücherei im Kögel sind vielfach geprüft und benannt.
Der Bürgerausschuss Innenstadt, der Jugendgemeinderat, der Planungsbeirat Esslinger Architektinnen und Architekten, das Büchereiteam (für dieses Thema die wirklichen, die wichtigsten Expertinnen und Experten), das Netzwerk Kultur, Vertreterinnen und Vertreter des Einzelhandels – sie alle plädieren mehrheitlich für diesen Schritt.
Eine Esslinger Einzelhändlerin bringt es auf den Punkt. Zitat: „Der stationäre Handel befindet sich im Wandel, mit einem Rückgang bis zu 40 %. Das Kögel-Gebäude bietet eine einmalige Chance, diese Entwicklung positiv zu beeinflussen. Statt auf riskante Einzelhandelskonzepte zu setzen, sollte die Stadt diese Ankerimmobilie erwerben und sinnvoll investieren – für eine kulturelle und wirtschaftliche Zukunft.“
Ja, Zukunft, sehr geehrte Damen und Herren, zukunfts- und nicht rückwärtsgewandt.
Wir investieren für klare Ziele. Wer die junge Generation ernst nimmt, dem muss sie auch etwas wert sein. Wem Bildungseinrichtungen wichtig sind, der muss für sie auch Geld in die Hand nehmen. Wer die Entwicklung der Innenstädte aufmerksam verfolgt, der muss zeitgemäße Alternativen bieten, der muss ermöglichen und nicht verhindern. Wir haben jetzt diese Chance. Sie nicht zu ergreifen, das muss man verantworten.
In der Musik gibt es Kontrapunkte, in der Politik Kritikpunkte.
Einer dieser Punkte verdient besondere Aufmerksamkeit. Ja, er ist nicht nur bemerkenswert, er ist obendrein erfreulich. Die CDU entdeckt auf den letzten Metern den Klimaschutz. Klasse! Was würde ein Umzug ins Kögelhaus fürs Klima bedeuten, war zu lesen. Dass die gleiche Frage – übrigens auch die der Kosten – auch für die CDU-Kögelprojekte Medienzentrum, Markthalle etc. hätte gestellt werden müssen … geschenkt.
Es ist ein cooler move, ein move der Hoffnung macht. Und wenn ich mir vorstelle, also so rein hypothetisch, dass dieses Interesse am Klimaschutz an Dynamik gewänne – natürlich nicht nur für die CDU – und zum Beispiel auch die ÖPNV- und Fahrradnutzung steigerte, die Verkehrspolitik beeinflusste, ja dann wird uns die Eingangsfrage, sie erinnern sich „Was würde ein Umzug …“ keine schlaflosen Nächte mehr bereiten.
Nach dem kleinen Intermezzo zurück zum ernsthaften Finale, zum Fazit:
Wir haben die Chance für eine moderne Stadtbücherei mit einem hochmotivierten Team im Herzen der Innenstadt. Wir haben die Chance, im Pfleghof ein attraktives Museumsangebot zu gestalten. Wir haben die Chance, die Weichen für eine moderne Stadtentwicklung zu stellen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, entscheiden Sie sich für die Zukunft. Ich danke Ihnen.