Den Wandel in Esslingen positiv gestalten

Stellungnahme der stellvertretenden Vorsitzenden der Gemeinderatsfraktion Christa Müller zum Doppelhaushalt 2026/2027 in der Sitzung des Esslinger Gemeinderats am 15. Dezember 2025

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, verehrte Bürgermeister, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren,


wenn die SPD-Fraktion heute dem Doppelhaushalt 2026/27 in der vorliegenden Form zustimmt, dann tut sie dies vor dem Hintergrund einer nach wie vor durch Krieg, Krisen und Katastrophen geprägten geopolitischen Lage. Die Wirtschaftsleistung unseres Landes und unserer Stadt ist rückläufig. Ein grundlegender Transformationsprozess stellt Unternehmen und auch die öffentlichen Verwaltungen vor große Herausforderungen.


So ist unser Haushalt geprägt von einem strukturellen Ungleichgewicht; die Schere zwischen Einnahmen und Ausgaben öffnet sich langsam aber stetig immer weiter. Dass wir mit dieser Entwicklung nicht alleine stehen, ist dabei ein geringer Trost. Doch zeigt es auch, dass dies kein hausgemachtes, sondern ein systemimmanentes Problem der meisten deutschen Kommunen ist. Denn leider wird das Konnexitätsprinzip nur selten im erforderlichen Umfang eingehalten, wonach der bezahlt, der bestellt. Vielmehr erhalten Kommunen als letztes Glied in der Verantwortungskette immer neue Aufgaben von Bund und Land übertragen ohne adäquate Gegenfinanzierung.


Umso wichtiger ist es, Zukunfts-Perspektiven zu entwickeln, den Blick nicht nur auf Defizite zu richten, sondern auch positive Entwicklungen zu sehen. Und davon gibt es in Esslingen einige:

  • die Sanierung von Marktplatz, Pliensaubrücke und Schelztorsporthalle,
  • hohe Investitionen in Schulen und in die Stadtbücherei, unabhängig vom Standort,
  • die Fertigstellung des Neckaruferparks und der Hochschule Esslingen in der Weststadt,
  • die Umsetzung des Masterplans Bau unseres Klinikums,
  • der Ausbau der Fernwärme und eines voll elektrischen O-Bus-Systems.

Dies ist keine abschließende, aber durchaus hoffnungsvoll machende Aufzählung wichtiger Zukunftsprojekte in unserer Stadt.

Vor diesem Hintergrund haben wir Fraktionen in Summe 56 Anträge an die Verwaltung gestellt, nur wenige finanzwirksam und damit in unmittelbarem Zusammenhang mit dem zum Beschluss stehenden Doppelhaushalt. Diese 56 Anträge, davon vier von der SPD, haben wir in den Fachausschüssen vorberaten und über diese werden wir nachher en bloc abstimmen, bis auf wenige Einzelabstimmungen. Zu zwei dieser Einzelabstimmungen möchte ich die Position der SPD darlegen.

  • Festival „Stadt im Fluss“ und Modellversuch zur Vereinsförderung (CDU & Freie Wähler): Eine Kürzung der Fördermittel für das Projekt „Stadt im Fluss“ in Höhe von 90.000 Euro und damit um ein Drittel des Budgets kommt für uns nicht infrage. Die SPD ist nicht dafür bekannt, Kulturförderung zu kürzen – im Gegenteil. Unsere Maxime lautet: Kulturförderung muss die Vielfalt erfassen und sich bedarfsgerecht an ganz unterschiedliche Player und Orte anpassen.
    Deswegen bevorzugen wir eine gezielte Projektförderung statt der Förderung einzelner Hallennutzungen, zumal die beantragte Hallenförderung über die von ES live vermarkteten Hallen zu kurz springt. Was ist mit dem Neuen Blarer, der WLB, dem CVJM, Kirchen und anderen Veranstaltungsorten? Den Kompromissvorschlag der Verwaltung, 40.000 Euro für einen einjährigen Modellversuch zur Verfügung zu stellen, können wir mitgehen.

  • Aufhebung Zweckentfremdungsverbot (CDU): Diesem Antrag werden wir nicht zustimmen, da wir uns dieses Mittel zur Wohnraumgewinnung nicht aus der Hand nehmen lassen wollen. Ja, die personelle Ausstattung für diese Aufgabe ist gering. Dennoch wollen wir zweckfremde Nutzungen von Wohneigentum, sei es ein Leerstand oder eine Fremdnutzung als Ferienwohnung, nicht in das Belieben der Eigentümer stellen. Eigentum verpflichtet. Und wenn nur eine Wohnung durch dieses drohende Bußgeld dem Wohnungsmarkt zugeführt werden kann, lohnt sich der Erhalt dieser Satzung. Wir wollen den von der Verwaltung avisierten Bericht im Jahr 2026 abwarten und auf dessen Basis ggf. nachjustieren.

Mit der weiteren Vorgehensweise zu den von uns gestellten vier Anträgen sind wir einverstanden.

  • Den beantragten Bericht zum VHS-Angebot zur Unterstützung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern bei beruflicher Weiterbildung und wirtschaftlicher Transformation haben wir bereits erhalten. Eine bedarfsgerechte Weiterentwicklung und passgenaue Angebote werden diesen wichtigen Bereich stärken; die VHS sehen wir hier als einen verlässlichen Partner.
  • Von einem Bericht über die konkrete Umsetzung des Regelungsbefreiungsgesetzes des Landes Baden-Württemberg hier in Esslingen versprechen wir uns, Verwaltungshandeln zu vereinfachen, Bürokratie abzubauen und kommunale Handlungsspielräume zu erweitern.
  • Zur erforderlichen Aufwertung der Pliensaustraße und der Straße am Kronenhof erhalten wir in 2026 Strategievorschläge. Dieses Areal als Sanierungsgebiet auszuweisen, würde maßgeblich und langfristig zu einer Attraktivitätssteigerung dieses südlichen Zugangs in die Esslinger Innenstadt und zu deren Belebung beitragen.
  • Zur gebotenen schnelleren Vermarktung der Flandernhöhe erhalten wir in 2026 einen Bericht. Dieses Areal ist eine der letzten Flächen, um in nennenswertem Umfang bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Wir werden auf diesen uns sehr wichtigen Aspekt bei den weiteren Beratungen immer wieder zurückkommen.

Apropos Konzepte, Strategien und Pläne: Davon haben wir in Esslingen so einige. Hitzeaktionsplan, Klimaschutzkonzept, Klimamobilitätsplan, Nahmobilitätskonzept, Carsharingkonzept, Parkraumkonzept, um nur einige zu nennen – und bald noch ein Müllmarathon-Konzept. Alles gut, alles wichtig. Denn nur wer ein Ziel hat, weiß, wohin er/sie gehen soll. Doch muss man irgendwann auch starten und erste Schritte tun. Wir haben hier in Esslingen also alles andere als ein Erkenntnisproblem, dafür eher ein Umsetzungsproblem. Fehlender politischer Konsens, fehlendes Personal und zu wenig Finanzmittel sind oft die Gründe – sicher kein böser Wille. Wir kennen also die Defizite und Ansatzpunkte.


Dazu passt ein Zitat aus einer Weihnachtskarte, die ich am Wochenende erhielt: (Zitat Anfang) „Es ist nicht genug zu wissen – man muss auch anwenden; es ist nicht genug zu wollen – man muss auch tun.“ (Zitat Ende). Diese beiden klugen Sätze stammen jedoch nicht vom Absender der Karte (BM Sigel), sondern von unserem Dichterfürsten Johann Wolfgang von Goethe. Schön, dass Sie es sich nun zu Eigen machen, Herr Sigel. Wir schließen uns gerne an und freuen uns auf den neuen Esslingen-Turbo im Technischen Rathaus.


Und wir freuen uns über und auf die 50 Mio Euro aus dem Sondervermögen Infrastruktur. Denn sie sind mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein, wie Sie, Herr Oberbürgermeister, diesen Betrag bewerten. Sie reduzieren vielmehr unsere Kreditaufnahmen und entlasten so den Ergebnishaushalt um ersparte Zinsen.


Zurück zum Doppelhaushalt: Schmerzhaft sind die angekündigten Stellenstreichungen. Sie tun weh und fallen uns nicht leicht. Wir sehen darin jedoch eine erste wirksame und notwendige Maßnahme, um den Haushalt strukturell und dauerhaft zu stabilisieren. 200 Stellenstreichungen bis 2030, also binnen fünf Jahren, klingen massiv. 40 Stelleneinsparungen pro Jahr klingen dagegen schon weniger bedrohlich und dürften im Rahmen der üblichen Fluktuation umsetzbar sein. Die ausbleibenden Wiederbesetzungen müssen natürlich einhergehen mit Prozessoptimierungen, nicht zuletzt vor dem Hintergrund von zunehmender Digitalisierung und dem Einsatz von KI. Gemeinsam mit der Verwaltung werden wir darauf achten, dass dies möglichst ohne Serviceeinschränkungen für die Bürgerinnen und Bürger und ohne massive Mehrbelastungen für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erfolgt.


Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, werte Herren Bürgermeister, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren, lassen Sie uns voll Dankbarkeit und mit Zuversicht ins nächste Jahr gehen. Wir, die SPD, werden die anstehenden Herausforderungen mit Überzeugung, mit Leidenschaft und mit Herzblut angehen. Wir wollen den Wandel positiv gestalten und setzen dabei auf die Einigkeit und Stärke der demokratischen Kräfte.


Im Namen der SPD-Fraktion danke ich allen, die an der Aufstellung des Doppelhaushaltsplanentwurfs mitgearbeitet haben – zuvorderst Erstem Bürgermeister Ingo Rust und Kämmerin Birgit Strohbach und ihrem Team. Ebenfalls danken wir allen städtischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die das Jahr über so wertvolle Arbeit für die Bürgerinnen und Bürger und auch für uns Fraktionen leisten.


Ich wünsche den Genannten und Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen, sowie allen Bürgerinnen und Bürgern im Namen der SPD-Gemeinderatsfraktion ein frohes und gesegnetes Weihnachtsfest sowie einen ruhigen Wechsel in ein hoffentlich gutes und Frieden bringendes Jahr 2026.